Das heutige Thema des Tages des deutschen Wetterdienstes ist interessant in dem Sinne, daß es Unkenrufen trotzt, die das Ende der eisbedeckten Arktis prophezeihen. Da ich nicht weiß, wie lange dieser Beitrag noch online sein wird (ich habe kein Archiv gefunden, wo man das auch später noch finden kann), stelle ich das jetzt einfach mal hier rein. Hervorhebungen von mir. Originaltext hier (zumindest heute).
Das arktische Meereis
Die sommerliche Meereisausdehnung in der Arktis ist in diesem Jahr nicht besonders groß. Legt man die letzten 30 bis 40 Jahre zugrunde, wird die Meereisausdehnung zum Abschluss der sommerlichen Schmelzperiode vermutlich eine der geringeren sein. Betrachtet man nur die vergangenen drei Jahre, so ist die Eisausdehnung derzeit deutlich größer als zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr und ähnlich groß, wie zur gleichen Zeit in den Jahren 2005 und 2006.
Trotzdem gibt es bereits Spekulationen, dass es diesen Sommer einen eisfreien Nordpol geben könnte. Solche Mutmaßungen suggerieren, dass es dann im Nordpolargebiet kein Meereis mehr gäbe. Dies ist jedoch völlig falsch. Selbst wenn der Nordpol für eine kurze Zeit eisfrei werden würde, sind noch große Teile des Nordpolarmeeres mit Eis bedeckt. Außerdem ist ein eisfreier Nordpol nichts Neues. Das hat es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben und ist sogar schon von verschiedenen Touristen auf Kreuzfahrt-Eisbrechern bewundert worden. Aber auch wenn man ältere Berichte von Polarreisenden oder Polarforschern liest, welche über das arktische Meereis zogen, so findet man immer wieder Hinweise auf große eisfreie Gebiete. Das hat einfach damit zu tun, dass das Meereis ständig den Strömungen des Wassers und dem Wind der Atmosphäre ausgesetzt ist und es so zu Spannungen im Eis kommt, welche zum Brechen der Eisschollen führen. Und werden zwei große Schollen voneinander weggetrieben, so bildet sich eine mitunter auch recht große eisfreie Wasserfläche. In den meisten Monaten des Jahres friert eine solche Wasserfläche recht bald wieder zu, im arktischen „Hochsommer“ kann sie aber lange bestehen bleiben.
Ein Problem gibt es in diesem Jahr bezüglich der Vorhersage des Abschmelzens des arktischen Meereises aber doch. Aufgrund der sehr geringen Meereisausdehnung im vergangenen Sommer gibt es dieses Jahr sehr viel einjähriges Eis, welches in der Regel dünner ist als mehrjähriges und demzufolge auch schneller schmelzen könnte.
Es gibt aber auch Gründe zu der Annahme, dass das Meereis dieses Jahr nicht so stark abschmilzt. Laut Dänischem Wetterdienst begann die diesjährige Schmelzsaison des arktischen Meereises im zentralen Teil des Nordpolarmeeres am 12. Juni, an diesem Tag lag die Mitteltemperatur nördlich des 80. Breitengrades das erste Mal in diesem Jahr über dem Schmelzpunkt. Das war zwei Tage später als normal und sogar vier Tage später als im vergangenen Jahr. Bei einer nur etwa zwei Monate langen Schmelzsaison können zwei bzw. vier Tage Unterschied schon bedeutsam sein, zumal die Zusammenhänge nicht linear sind. Zu Beginn der Schmelzsaison steht die Sonne viel höher am Himmel als zum Ende. Und da es beim Schmelzen des Meereises mehrere positive Rückkopplungsmechanismen gibt, erhöht jeder Tag, den die Schmelzsaison später beginnt, die Überlebenschance des Eises beträchtlich.
Bezüglich der Meereisausdehnung muss auch immer wieder darauf hingewiesen werden, dass diese in den 1970iger Jahren die größte der letzten zweihundert Jahre war. Der Zufall, dass wir vor den 1970iger Jahren noch keine Satellitenbilder zur Meereisbestimmung hatten, sollte uns nicht dazu verführen, diese Zeit gar nicht mehr zu betrachten. Neuerdings taucht allerdings ein weiteres Argument auf, welches suggerieren soll, das Meereis nähme kontinuierlich ab bzw. so wenig Eis wie heute habe es noch nie gegeben. So wird die gescheiterte Schröder-Stranz-Expedition nach Nordaustland im Jahre 1912 dafür herangezogen, zu zeigen, dass es früher sehr viel mehr Eis gegeben hätte. Tatsächlich ist diese gescheiterte Expedition eines der schwärzesten Kapitel der deutschen Polarforschung. Acht Teilnehmer verloren dabei ihr Leben. Jedoch wird in diesem Zusammenhang oft vergessen, dass es für diese Expedition mehrere Rettungsexpeditionen gab. Eine davon wurde von Theodor Lerner geleitet und erreichte bereits Ende April 1913 auf dem Seeweg die Nordküste der Inselgruppe Spitzbergen und Anfang Mai ebenfalls per Schiff den Norden Nordaustlands, der nordöstlichsten Hauptinsel des Spitzbergen-Archipels. So zeitig im Jahr erlauben das die Eisverhältnisse heutzutage praktisch nie. Zum Vergleich sei erwähnt, dass am 29. Juli 2008 die Nordküste Nordaustlands noch fast vollständig von Festeis umgeben war und erst dieser Tage das Eis rings um die Insel in größerem Stile aufbricht. Aber auch im Sommer 1913 war die die Eisausdehnung nicht beständig so günstig für die Schifffahrt, wie im April und Mai. Ende Juni 1913 sank das Schiff der Rettungsexpedition nahe dem Kapp Rubin vor Nordaustland in schweren Eispressungen, wobei sich die Besatzung jedoch retten konnte. Doch zeigt dieses Beispiel, dass große Schwankungen in der Meereisausdehnung etwas völlig natürliches sind. Übrigens war es in vergangenen Jahrhunderten, insbesondere zu Hochzeiten des Walfangs rings um Spitzbergen, durchaus üblich, weit nördlich der Inseln Wale zu fangen oder auch die Inselgruppe zu umrunden. Letzteres ist heute trotz viel besserer Eisinformation, einfacherer Navigation sowie stählerner Schiffe mit kräftigen Maschinen statt hölzerner Segelschiffe immer noch eine echte Herausforderung und nur an wenigen Tagen im Jahr möglich. Die beiden derzeit durch die Medien gehenden abgebrochenen Eisblöcke vor Ellesmere Island haben mit der arktischen Meereisausdehnung nur am Rande zu tun, sie sind einfach zu klein, um in der Gesamtbilanz eine nennenswerte Rolle zu spielen, und sie sind noch nicht geschmolzen. Die beiden Eisblöcke sind mit 14 bzw. 5 km² auch deutlich kleiner als zum Beispiel die Eisplatte mit 66 km² Flächenausdehnung, die sich im Sommer 2005 von Ellesmere Island gelöst hat. Die morgen in Deutschland auftretende partielle Sonnenfinsternis findet in Teilen der Arktis sogar als totale Sonnenfinsternis statt. Für ein paar Minuten wird dort also der Polartag unterbrochen, was natürlich mit einer vorübergehenden spürbaren Temperaturabnahme einhergeht. Vermutlich ist dieser Effekt aber viel zu klein, um einen bezifferbaren Einfluss auf die Meereisausdehnung nachzuweisen.
Dipl.-Met. Thomas Schmidt
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Bedeutet das etwa dass Al Gore seinen Sohn völlig umsonst ins Weltall geschossen hat?
In den Fernsehnachrichten (weiß leider icht mehr, welcher Sender) wurde berichtet, dass zwei große Stücke vom Arktiseis abgebrochen seien (15qkm und 4qkm, wenn ich das richtig erinnere). Dazu die Aussage, dass Klimaforscher das für einen weiteren Beleg der Klimaveränderung werten.
Hurra, der o.a. Bericht ist wiederlegt!
@ mrpresident: Das wird leider so sein. Der Weltuntergang wird nochmal verschoben.
@heplev: Quoi? Welcher Bericht ist widerlegt? Der im Fernsehen?