Die chinesischen Kommunisten sind immer noch sauer auf Bundeskanzlerin Merkel. Das zeigen sowohl die weiterhin anhaltenden Nachwehen ihres Treffens mit dem Dalai Lama, als auch eine Reihe von Artikeln in der (natürlich staatlich kontrollierten) chinesischen Presse, die sich allesamt mit der Chinapolitik der Bundeskanzlerin auseinandersetzen. In nur zwei Jahren Amtszeit hat es Frau Merkel geschafft, die deutsche Chinapolitik radikal zu verändern. Die wirtschaftliche Komponente bleibt zwar weiterhin zentral, aber die Faktoren Menschenrechte und Verantwortlichkeit rücken zunehmend in den Mittelpunkt.
Die Haltung der Kanzlerin zu den chinesischen Reizthemen Tibet und Taiwan hat die Kommunisten in Beijing verärgert. Das war man von Merkels Vorgänger Gerhard Schröder nicht gewohnt. Den hätten die Menschenrechte in Tibet und das demokratische Taiwan gar nicht weniger interessieren können. Wang Jiannans Artikel „Die Mysterien von Merkels Chinapolitik“ (默克尔对华政策玄机) im Magazin „Liaowang“ (瞭望, Outlook) ist ein gutes Beispiel dafür, wie die chinesische Führung versucht die veränderte Situation zu begreifen. Der Artikel ist nüchtern und analytisch geschrieben, keinesfalls beleidigend. Dafür sind die chinesischen Internetforen da, in denen nationalistische Hitzköpfe gegen die Kanzlerin hetzen dürfen. Die KP macht sich eben nicht (mehr) gerne selbst die Hände schmutzig.
Der Artikel enhält mehrere interessante Punkte:
- Die Chinesen sehen in der deutschen Außenpolitik einen Wandel zu einer „Außenpolitik der Menschenrechte und Werte“, das Treffen mit dem Dalai Lama sei der bisherige Höhepunkt dieser Entwicklung. (默克尔9月份在联邦总理府会见达赖,可谓将她的所谓人权和价值外交推向一个高潮。)
- Deutschland betrachte China nicht mehr nur als einen Kooperationspartner. Durch den wirtschaftlichen und politischen Aufstieg Chinas sehe Deutschland China nun als Konkurrenten und strebe (zum Beispiel in der Afrikapolitik) dessen Eindämmung an. (随着中国在经济政治上日益崛起,德国不再只把中国视为合作伙伴,而是强烈感受到来自中国的竞争,深感有必要在亚洲另辟蹊径来制衡中国。)
- Bundeskanzlerin Merkel sei der „Leithammel“ (领头羊) einer neuen Generation europäischer Führer (neben Sarkozy und Brown), die wieder stärker die Nähe zu Amerika suchen werde. (修复德美、欧美关系)
Die chinesische Führung ist also besorgt. Ihre außenpolitische Version einer „multipolaren Welt“, mit Europa als einem der Gegenpole zu den Vereinigten Staaten, scheint gefährdet. Soweit sie denn realistisch war, die Chinesen haben das Potential Europas schon jeher deutlich überschätzt. Eine europäische „Politik der Eindämmung“, wie sie angeblich die Amerikaner betreiben sollen, wäre trotzdem überaus schädlich für China. Die neue Fokussierung der Europäer auf Menschenrechte und Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit macht den chinesischen Kommunisten Sorgen. Und noch wissen sie nicht, wie sie mit dieser neuen Problematik umgehen sollen…
Offenbar ist ihnen ja dann doch eine nicht allzu schlechte Idee gekommen: Einfach das neuaufstrebende Frankreich unter dem PGV Sarko gegen Deutschland ausspielen, Rechtsstaats und strategischen Dialog aussetzen und deutsche Firmen von der Auftragsausgabe ausschließen. So ganz planlos sieht’s in meinen Augen gar nicht aus.
Warten wir erstmal den ersten Chinabesuch von Sarko ab. Ich schätze ihn jedenfalls als deutlich prinzipientreuer ein, als Jaques Chirac. Mal schauen, was seine Prinzipien sind… 😉
Das mit Frankreich ist aber auch eher eine Notmaßnahme als ein Plan. Auf Dauer wäre der Verlust deutscher Technologien und Investitionen für China nur schwer zu verdauen. Außerdem warten die Inder und Vietnamesen ja nur auf uns. Das wäre mal wieder sehr kurzsichtig und ich-bezogen gedacht von unseren roten Freunden…
Tja, Sarko…. der hat schon häufiger bewiesen, daß ihm das Hemd näher ist als der Rock. Siehe EU-Finanzministertreffen kurz nach seiner Wahl, siehe das gewiefte Geschacher um Industriebeteiligungen französischer Unternehmen, die Aventisgeschichte, die Airbusschacherei, uswusf. Der Punkt mit China ist, glaube ich, daß Deutschland eher von China abhängt als umgekehrt. Beispielsweise ist ein Gutteil des atemberaubenden Wachstums des Hamburger Hafens und die Tatsache, daß HH dabei ist, sogar Rotterdam zu überholen (undenkbar noch vor 10 Jahren), auf den Chinahandel zurückzuführen. Ich sage nicht, daß THE CHINA einfach auf den Deutschlandhandel verzichten kann. Das Gegenteil ist vermutlich der Fall. Der Punkt ist vermutlich eher, daß die deutsche Industrie sehr schnell auf die Barrikaden gehen wird, falls Frau Bundeskanzler Sachen macht, die sie Geld kosten. Die chinesische Industrie wird den Teufel tun, aufzumucken. Daher ist der Handlungsspielraum der chinesischen Politik größer.
Die Frage ist eben, ob das andere Länder eher abschreckt den Dalai Lama zu treffen, oder in China Geschäfte zu machen. Der Standpunkt der deutschen Industrie ist mir hier schon klar. Andererseits muß Frau Merkel als Politikerin auch auf die Wählermeinung achten (ganz abgesehen von ihren persönlichen Überzeugungen). Und die deutsche Öffentlichkeit mag den Dalai Lama eben mehr als die Kommunistenbande in Beijing. Außerdem gibt es ja wie schon gesagt noch Alternativen zu China. Für die Chinesen stellt sich daher die Frage, ob sie wegen dieses Treffens tatsächlich die Beziehungen zu einem so wichtigen Handelspartner wie Deutschland gefährden wollen. Die Chinesen werden schon irgendwann einsehen, dass das ein Fehler wäre. Auf eine Entschuldigung der (amtierenden) Bundeskanzlerin können sie jedenfalls lange warten.
Und der Sarko ist eben doch Franzose. Da hast Du recht… 😉
Also, wenn ihr die antichinesische Welle in den öffentlichen Medien, vor allem in den staatlichen Medien vor dem China Besuch schon mal genauer analysiert hatten, ist doch eigentlich ganz klar, was Fr. Merkel vorhat:
treue Vorkämpferin der Bush Regierung!!!
Was mich eigentlich sehr überrascht hat war, dass die chinesische Regierung wohl nichts von diesen Kompanie der deutschen Staatsmedien wusste, und deswegen die totale Überraschung. Ich frage mich nur, wo sei denn die immer propagierte chinesische Spionage in Deutschland gewesen, hätten sie wenigstens einen Hinweis auf der wahren Absicht von Fr. Merkel hingedeutet, wäre für den chinesischen Präsident diese „Heiße Gesicht aufgeprallt auf kalten Arsch“ Situation erspart geblieben.
Und zu Dalai Lamma, er war für die Sklaverei (was vor 50 Jahren noch in Tibet praktiziert wurde), hatte auch mal den japanischen Aum-Sekten-Chef (der in Tokio das Giftgas in U-Bahn verbreitet hatte) getroffen und gelobt, so sauber ist er auch nicht.
Und noch was zu lächerlichen ARD/ZDF Berichte, z.B. in einer Sendung über die Kreisstadt „An Ji“, das Heimat der Bambus, wurde berichtet, dass wegen Bambusindustrie die Provinz „Zhejiang“ reich geworden sei. Da ich gerade aus Zhejiang komme, muss ich tot lachen. „An Ji“ hat zwar reichlich Bambus aber die Kreisstadt hat gerade mal 430,000 Einwohner, wie kann eine so unbedeutende Stadt das Provinz mit 47,000,000 Einwohner reich machen? Das wäre wenn jemand sagen würde, dass das ganze Süddeutschland wegen Sauerkraut reich geworden ist. Ein andere Bericht zu den Umweltschützer „Wu Lihong” in Provinz „Jiangsu”, er war keines Weges von Zentralregierung unterdrückt worden, sondern eher gefordert. Dass er später in Gefängnis landet, war wegen Erpressung gegen einige Firmen, was durchaus falsche Anschuldigungen sein könnten, aber nicht wegen der Regierung.
Die deutsche staatliche Medien sind nichts anders auf der Welt: Sie sind auch die Propagandamaschinen.
Lieber Chinese,
der Dalai Lama ist kein Heiliger, wird aber von vielen Tibetern als spirituelles Oberhaupt akzeptiert. Die chinesischen Menschenrechtsverletzungen in Tibet sind davon unabhängig zu verurteilen.
Dass die Bundeskanzlerin der chinesischen Regierung nicht früher von dem Treffen mit dem Dalai Lama Bescheid gesagt hat, liegt wahrscheinlich daran dass sie keine Lust hatte schon Wochen im Voraus von der chinesischen Botschaft in Berlin täglich telefonisch belästigt zu werden…
Ich bezweifle nicht, dass in Deutschland von Chinesen Industriespionage betrieben wird, wehre mich aber dagegen alle hier lebenden Chinesen zu Verdächtigen zu machen. Interessant wäre aber auch mal zu wissen, welche Chinesen ihre Landsleute in Deutschland für die KP ausspionieren. Dass es so etwas gibt, wurde mir nämlich von hier lebenden chinesischen Freunden bestätigt.
Schließlich noch zu den deutschen Medien: Diese sind von der Regierung unabhängig. Unter dem Kommunistenfreund und Altkanzler Schröder haben sie auch negativ über China berichtet. Über die Qualität der Berichterstattung deutscher Medien lässt sich natürlich streiten.
Die Bundeskanzlerin pflegt übrigens tatsächlich gute Beziehungen zu Präsident Bush. Und das ist auch gut so!